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Kennen Sie die fünfte Sprache der Schweiz?

Dabei denkt man wohl gleich an Eng­lisch oder ist es doch Wal­li­ser­deutsch?

Im Juni wurde im Natio­nal­rat eine Motion zur Aner­ken­nung der Gebär­den­spra­che durch ein Gebär­den­spra­chen­ge­setz ein­ge­reicht. Braucht es dies wirk­lich?

Einige Fak­ten aus der Schweiz dazu: Rund 10‘000 Men­schen sind seit der Geburt gehör­los oder sehr stark schwer­hö­rig, rund 1 Mio. Men­schen leben mit einer Hör­be­hin­de­rung, ca. 20'000 Men­schen benut­zen die Gebär­den­spra­che. Wobei es 3 ver­schie­dene Spra­chen sind, Deutsch, Fran­zö­sisch und Ita­lie­nisch.

Was bedeu­tet nicht hören? Frau Bing­geli, selbst gehör­los, Prä­si­den­tin des Schwei­ze­ri­schen Gehör­lo­sen­bun­des erklärt es fol­gen­der­mas­sen: "Stel­len Sie sich vor, Sie rei­sen in ein ara­bisch­spra­chi­ges Land, wo Sie die Spra­che nicht ver­ste­hen und auch nicht mit der Schrift ver­traut sind. Sie ver­ste­hen die Leute dort nicht und kön­nen nicht mit ihnen kom­mu­ni­zie­ren. Über­le­gen Sie sich einen Moment, wie sich das anfüh­len könnte. So ergeht es uns mit der Laut­spra­che jeden Tag, nur mit dem Unter­schied, dass Sie im Gegen­satz zu uns kon­krete Mög­lich­kei­ten haben, um die Schwie­rig­kei­ten zu über­win­den. Im genann­ten Bei­spiel kön­nen Sie zum Bei­spiel einen Ara­bisch­kurs besu­chen und die Spra­che erler­nen. Wir hin­ge­gen kön­nen nicht plötz­lich hören."

Könn­ten sie nicht von den Lip­pen able­sen? Tat­säch­lich sind nur 30-40% der gespro­che­nen Spra­che von den Lip­pen ables­bar, das heisst, weni­ger als die Hälfte der Wör­ter! Das Wich­tigste wird dank der Situa­tion oft trotz­dem ver­stan­den, nicht aber, wenn das Thema plötz­lich wech­selt.

Ein wei­te­res Pro­blem kommt beim Lesen und Schrei­ben dazu: Die geschrie­bene Spra­che besteht aus Buch­sta­ben. Von Geburt an gehör­lose Men­schen haben die Laute nie gehört, für wel­che die ein­zel­nen Buch­sta­ben ste­hen. Lesen ler­nen ist für sie so schwie­rig, wie wenn Hörende für jedes Wort eine Tele­fon­num­mer oder einen Strich­code aus­wen­dig ler­nen müss­ten. Das heisst, dass viele Gehör­lose aus­ge­schlos­sen sind von allen Infor­ma­tio­nen in geschrie­be­ner und gespro­che­ner Form.

1880 wurde die Gebär­den­spra­che an einem euro­päi­schen Kon­gress als Unter­richts­spra­che sogar ver­bo­ten, da sie als min­der­wer­tig galt. In der Schweiz hielt sich die­ses Ver­bot bis in die 1990er-Jahre.

Die UNO-Konvention über die Rechte von Men­schen mit Behin­de­run­gen bezeich­net die Gebär­den­spra­che als eigen­stän­dige Spra­che und ver­langt ihre Aner­ken­nung und Unter­stüt­zung. Die Mehr­heit der euro­päi­schen Staa­ten aner­kennt heute die Gebär­den­spra­che auf Verfassungs- oder Geset­zes­ebene. Die Schweiz hat zwar die UNO-Behindertenrechtskonvention rati­fi­ziert, aber die recht­li­che Aner­ken­nung der Gebär­den­spra­che auf natio­na­ler Ebene bis­her abge­lehnt.
 

Urs Mül­ler EVP