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Genuss mit Nebenwirkung

Stel­len Sie sich vor, Sie lesen einen Arti­kel über ein neues Pro­dukt, das in Andel­fin­gen in den Ver­kauf kommt. Es ist sehr beliebt, aber es hat kleine Neben­wir­kun­gen: es macht süch­tig, 60% der Kon­su­mie­ren­den möch­ten dar­auf ver­zich­ten kön­nen aber oft nicht und beim regel­mäs­si­gen Genuss stirbt jede zweite Per­son früh­zei­tig. Wür­den Sie da nicht Sturm lau­fen oder zumin­dest ihren Kin­dern ver­bie­ten die­ses Pro­dukt zu pro­bie­ren?

Stel­len Sie sich vor, Sie lesen einen Arti­kel über ein neues Pro­dukt, das in Andel­fin­gen in den Ver­kauf kommt. Es ist sehr beliebt, aber es hat kleine Neben­wir­kun­gen: es macht süch­tig, 60% der Kon­su­mie­ren­den möch­ten dar­auf ver­zich­ten kön­nen aber oft nicht und beim regel­mäs­si­gen Genuss stirbt jede zweite Per­son früh­zei­tig. Wür­den Sie da nicht Sturm lau­fen oder zumin­dest ihren Kin­dern ver­bie­ten die­ses Pro­dukt zu pro­bie­ren?
Genau hier ste­hen wir beim Tabak­kon­sum: In der Schweiz ster­ben jähr­lich rund 9500 Per­so­nen als Folge von Tabak­kon­sum. Die Tabak­in­dus­trie benö­tigt folg­lich pro Jahr min­des­tens 9500 neue Rau­cher plus für jede Per­son, die mit Rau­chen auf­hört, wie­der eine Neue. Nur so bleibt der Gewinn sta­bil. Stu­dien haben gezeigt, dass wer bis zum 21. Lebens­jahr Nicht­rau­cher ist, mit gro­ßer Wahr­schein­lich­keit sein Leben lang Nicht­rau­cher bleibt. Daher hat die Tabak­in­dus­trie ein beson­de­res Inter­esse daran, Kin­der und Jugend­li­che anzu­spre­chen und sie zum Ziga­ret­ten­kon­sum zu ani­mie­ren. Die Stu­die von Cipret Vaud (Tabak­prä­ven­tion im Kan­ton Waadt) zeigt deut­lich, dass Jugend­li­che als wich­tigste Ziel­gruppe der Tabak­in­dus­trie gel­ten: Orte, an denen Wer­bung oder Ver­kaufs­för­de­rungs­ak­ti­vi­tä­ten statt­fin­den (Musik­fes­ti­vals, Dis­cos, Kioske usw.), die ein­ge­setzte Spra­che, die Gestal­tung und die ver­wen­dete Bild­spra­che sind nicht etwa dem Zufall geschul­det, son­dern das Resul­tat minu­tiö­ser Recher­chen. Ziel die­ser pro­fes­sio­nel­len Wer­be­stra­te­gie ist es, ein Maxi­mum jun­ger Men­schen zu errei­chen.

Lei­der hat das Par­la­ment es nicht geschafft, ein grif­fi­ges Tabak­ge­setz zu ver­ab­schie­den. Selbst die milde Vari­ante des Bun­des­ra­tes wurde noch ver­wäs­sert! Der Tabak­lobby sei Dank, die effek­tive Arbeit geleis­tet hat (ein Blick auf lobbywatch.ch lohnt sich). Kürz­lich erklärte ein hoher Bun­des­be­am­ter, er habe in sei­ner gan­zen Amts­zeit nie ein der­art pene­tran­tes Lob­by­ing erlebt wie beim Tabak­pro­duk­te­ge­setz.

Die Schweiz schnei­det im neuen Tabaklobby-Index 2021 mit dem unrühm­li­chen 79. Platz ab (von 80). Ein­mal mehr wird klar: Die Tabak­in­dus­trie mischt sich mas­siv in die Schwei­zer Poli­tik ein, um ihre töd­li­chen und schäd­li­chen Pro­dukte frei ver­mark­ten und ver­kau­fen zu kön­nen.

Im Februar 2022 stim­men wir über die Volks­in­itia­tive «Kin­der ohne Tabak» ab. Die Initia­tive ver­langt von Bund und Kan­to­nen, jede Art von Wer­bung für Tabak­pro­dukte zu ver­bie­ten, die Kin­der und Jugend­li­che erreicht. Für Ersatz- und Alter­na­tiv­pro­dukte sol­len die­sel­ben Regeln gel­ten. Jede Art von Wer­bung, die sich vor­der­hand an Erwach­sene rich­tet, jedoch für Kin­der und Jugend­li­che zugäng­lich ist, soll unter die­ses Ver­bot fal­len, egal ob Print­me­dien, das Inter­net, Pla­kate, Kino­wer­bung, Ver­an­stal­tun­gen, Ver­kaufs­för­de­rung oder Spon­so­ring. Die Annahme der Initia­tive wäre ein ers­ter Schritt.                                           

 

Urs Mül­ler EVP