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Die Schweiz bleibt nicht stehen

Erin­nern sie sich noch an die Abstim­mung zum Gegen­vor­schlag der «Korrektur-Initiative» wel­cher die Aus­fuhr von Waf­fen in Kon­flikt­ge­biete ver­bie­tet?

Die Schweiz bleibt nicht ste­hen

Erin­nern sie sich noch an die Abstim­mung zum Gegen­vor­schlag der «Korrektur-Initiative» wel­cher die Aus­fuhr von Waf­fen in Kon­flikt­ge­biete ver­bie­tet? Der Bun­des­rat hat ihn am 1. Mai 2022 in Kraft gesetzt.
Jetzt, gut ein Jahr, spä­ter ver­han­delt das Par­la­ment den Vor­schlag zur «Ände­rung des Kriegs­ma­te­ri­al­ge­set­zes». Damit soll ermög­licht wer­den, dass die Nicht-Wiederausfuhrerklärung für Staa­ten, die sich den Schwei­zer Wer­ten ver­pflich­ten, auf fünf Jahre beschränkt wird. Das Land, das Kriegs­ma­te­rial erhält, muss aber die Men­schen­rechte ein­hal­ten und es darf kein Risiko beste­hen, dass die­ses gegen die Zivil­be­völ­ke­rung ein­ge­setzt wird. Eine wei­tere Vor­aus­set­zung ist, dass das Bestim­mungs­land nicht in einen bewaff­ne­ten Kon­flikt ver­wi­ckelt ist. Ver­tei­digt sich die­ses jedoch mit dem völ­ker­recht­lich ver­an­ker­ten Selbst­ver­tei­di­gungs­recht, soll eine Wei­ter­gabe mög­lich sein.  

 

Beim Ent­scheid, wie auf die Anfrage ver­schie­de­ner Staa­ten zur Wei­ter­gabe von Kriegs­ma­te­rial geant­wor­tet wird, spielt auch unsere Neu­tra­li­tät eine wich­tige Rolle. In unse­rer Bun­des­ver­fas­sung steht, dass wir die Neu­tra­li­tät bewah­ren sol­len. Gleich­zei­tig fin­den wir jedoch auch den Auf­trag in der Ver­fas­sung das Völ­ker­recht zu beach­ten; also alle rechts­ver­bind­li­chen Regeln auf inter­na­tio­na­ler Ebene ein­zu­hal­ten – und diese ver­bie­ten u. a. einen Angriffs­krieg. Wir ste­hen somit poli­tisch in einem ver­fas­sungs­recht­li­chen Span­nungs­feld, in dem die einen stär­ker das Neu­tra­li­täts­prin­zip beto­nen, wäh­rend die ande­ren das Völ­ker­recht ver­tei­di­gen wol­len.
Bereits seit min­des­tens 30 Jah­ren lebt die Schweiz eine dif­fe­ren­zierte Neu­tra­li­tät und keine inte­grale. Schon vor unse­rer UNO-Mitgliedschaft ver­trat der Bun­des­rat in sei­nem Bericht von 1993 die Auf­fas­sung, dass die Neu­tra­li­tät nicht für UNO- oder EU-Sanktionen gelte. Schauen wir zurück in die Geschichte stel­len wir zudem fest: Sank­tio­nen gegen Kriegs­par­teien sind nichts Neues.

Das Kriegs­ma­te­ri­al­ge­setz sieht Aus­nah­men für aus­ser­or­dent­li­che Umstände vor, was eine Wie­der­aus­fuhr ermög­li­chen würde. Die ent­schei­dende Frage ist also, ob man aktiv wer­den will. Das ist die poli­ti­sche Dimen­sion der Neu­tra­li­tät.

Es trifft auch nicht zu, dass die Guten Dienste wie Frie­dens­ver­hand­lun­gen oder Schutz­macht­man­date nur dank strik­ter Neu­tra­li­tät mög­lich wären. Schwe­den ist nicht neu­tral, hat jedoch mehr Schutz­macht­man­date als die Schweiz.

Wie auch immer die Debat­ten im Rat aus­fal­len, soll­ten wir beden­ken: Unser Land ver­än­dert sich, was ein­mal defi­niert wurde muss über­dacht und even­tu­ell sogar neu defi­niert wer­den.
Ich denke, dass wir in unse­rem Land dazu fähig sind, dass dies aber von uns allen mit­ge­tra­gen wer­den muss.

 

Urs Mül­ler EVP